Du hast dir vorgenommen, dein Zimmer endlich mal wieder aufzuräumen. Stattdessen sortierst du fünf Dekofiguren auf deinem Schreibtisch um, findest drei Trinkflaschen unter dem Bett und fragst dich, wann genau du eigentlich angefangen hast, Kerzen nach Farben zu sammeln.
Kommt dir bekannt vor? Uns auch.
Wir wollen dich nicht mit Zahlen zur globalen Ressourcenverschwendung erschlagen, aber vielleicht mit einer einfachen Frage: Wie viele Dinge besitzt du, die du wirklich nutzt? Und wie viele sind da, weil sie „irgendwie dazugehören“ – zur Stimmung, zum Trend, zur Ästhetik?
Das Social Media made me buy - Phänomen
Seit geraumer Zeit wird immer mehr werbender kurzform Content produziert. Ob es nun den Titel „XY made me buy“, "Haul" oder „Absolute essentials“ hat, ist egal, am Ende des Tages machen sie das Gleiche: sie möchten dich zum Kauf bewegen. So entstehen viele Social Media Trends, die enorme Konsumwellen auslösen. Wir möchten euch heute drei Beispiele zeigen, bei denen wir uns fragen: Warum eigentlich?
Stanley Cup - die Hype-Trinkflasche
Der Stanley Cup, eine Bechertrinkflasche, wurde zum viralen Trend, nachdem er eindrucksvoll zeigte, dass er Wasser mit Eiswürfeln selbst in einem abgebrannten Auto noch kalt hält. Er tauchte überall in Lifestyle-Posts auf, oft ergänzt durch Accessoires wie Taschen, Anhänger oder sogar farblich passende Dichtungsringe (er ist nicht auslaufsicher). In den USA kam es zu chaotischen Szenen in Supermärkten, weil Menschen unbedingt einen Cup ergattern wollten. Viele besitzen gleich mehrere – passend zum Outfit, versteht sich.
Labubus - Sammelfiguren mit Suchtfaktor
Labubus sind kleine Figuren bzw. Anhänger der Marke Popmart, die ihren viralen Durchbruch erlebten, als Blackpink-Sängerin Lisa mit einer solchen Puppe auf Instagram zu sehen war. Der Hype startete in der K-Pop-Community und schwappte schnell in den Mainstream über. Weil Labubus nur in sogenannten Blind Boxes verkauft werden – man weiß vorher nicht, welche Figur man bekommt – kauften viele gleich 8 bis 10 Stück auf einmal, um das gewünschte Modell zu erwischen. Das Sammeln wurde so zu einem Konsumspiel mit hohem Suchtpotenzial.
Der Trend zu Ästhetiken
Social Media hat die Bedeutung von Ästhetiken verstärkt – also visuelle Stile wie „Cottagecore“, „Clean Girl“ oder „Dark Academia“, die nicht nur eine Optik, sondern oft ganze Lebensgefühle vermitteln. Nutzer*innen finden darin Zugehörigkeit, Inspiration und Selbstausdruck, doch gleichzeitig fördern diese klar definierten Looks auch konsumorientiertes Nachahmen. Denn zu jeder Ästhetik gehören heute bestimmte „Essentials“: Kleidung, Accessoires, Möbel – alles muss zueinander passen. Das erzeugt nicht nur Gemeinschaft, sondern auch subtilen Druck, sich laufend neu auszustatten, um zur eigenen Ästhetik dazuzugehören.
Die Konsequenzen von Überkonsum
Übermäßiger Konsum von scheinbar harmlosen Alltagsgütern wie Trinkflaschen, Dekofiguren oder "Essentials" kann weitreichende Auswirkungen:
1. Umweltbelastung:
Die Massenproduktion dieser Produkte verschlingt Ressourcen und erzeugt schwer recycelbaren Müll. Wenn Millionen ständig neue Stanley Cups oder Dekoartikel kaufen, vervielfacht sich der ökologische Fußabdruck.
2. Verändertes Konsumverhalten:
Social Media ästhetisiert Alltagsgegenstände und lädt sie mit Bedeutung auf – was früher neutral war, wird heute Teil eines „Lifestyles“. Das kann zu zwanghaftem Konsum führen: Nicht, weil man etwas braucht, sondern weil es „zum Look“ passen soll. Der Kauf wird zur Identitätsstiftung.
3. Psychische Auswirkungen:
Das ständige Streben nach einem perfekten, trendgerechten Umfeld kann Stress, Druck und Unzufriedenheit auslösen – besonders wenn das Gefühl entsteht, „nicht mithalten zu können“. Die Dinge, die eigentlich Freude machen sollten, werden zum Symbol von Mangel oder Überforderung.
4. Platzmangel
Mit jeder neuen Ästhetik füllen sich Wohnungen mit Gegenständen, die bald nicht mehr zum Stil passen. Das Ergebnis: vollgestellte Räume und Chaos.
5. Kurze Lebenszyklen von Trends
Was heute „in“ ist, wirkt morgen schon veraltet. So entsteht ein Kreislauf aus Kaufen, Verstauen, Ausmisten – begleitet von schlechtem Gewissen oder Frust.
Was kann man dagegen tun?
1. Bewusster konsumieren: Oft kaufen wir aus Gewohnheit oder impulsiv. Wer sich vor dem Kauf fragt: Brauche ich das wirklich? Habe ich etwas Ähnliches schon? Wird es in einem Jahr noch relevant sein? – trifft meist überlegtere Entscheidungen.
2. Besitz regelmäßig hinterfragen: Durch Ausmisten, Minimalismus-Challenges oder das Tracken von Nutzungsgewohnheiten erkennt man schnell, wie wenig man eigentlich wirklich nutzt. Das schafft nicht nur Platz, sondern verändert auch die Einstellung zu Neuanschaffungen.
3. Soziale Medien reflektieren: Viele Konsumanreize kommen durch Influencer*innen, Hauls oder virale Trends. Wer kritisch auswählt, wem man folgt – oder Accounts mutet, die dauerhaft „Kauf mich“-Impulse auslösen – schützt sich selbst.
4. Reparieren, tauschen, leihen: Der Zugang zu Dingen muss nicht über Besitz führen. Kleidung, Technik, Bücher, Deko – all das kann geteilt, geliehen oder getauscht werden. Das entlastet nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.
5. Selbstwert entkoppeln: Viel Besitz bedeutet nicht automatisch mehr Glück, Anerkennung oder Erfolg. Wer es schafft, sich über Erlebnisse, Beziehungen und Kreativität zu definieren statt über Dinge, fühlt sich oft langfristig erfüllter.
Überkonsum ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches. Doch jeder kann im Kleinen gegensteuern. Mit bewussten Kaufentscheidungen, kritischem Blick auf Trends und einem minimalistischen Ansatz für mehr Platz, Freiheit und Nachhaltigkeit.